Kulturstiftung Generalkonsul Manfred O. Schröder und Helga Schröder

Zeugnisse geheimer Riten und Verehrung der Königsmutter – bemerkenswerte Stücke in der Sammlung der Kulturstiftung Schröder im Wasserschloss St. Hubertus in Neuenheerse

von Wolfgang Braun

2015 -Jahrbuch Höxter

Die imposanten Figuren gleichen sich in ihrer Form: Ein langer Schnabel lässt sie als Vogeldarstellung erkennen. Dieser ist gebogen und reicht hinab zu einem stark gewölbten Bauch. Die Flügel sind ausgebreitet und bilden eine rechteckige Fläche. Der Vogel steht aufrecht wie ein Mensch. Skulpturen dieser Art sind in mehreren Variationen in den Vereinigten Museen im Wasserschloss St. Hubertus in Bad-Driburg- Neuenheerse zu bewundern, die von der Stiftung Generalkonsul Manfred O. Schröder und Helga Schröder betrieben werden.

Nach ihrer Herkunft aus dem westafrikanischen Senufo-Gebiet in den Staaten Elfenbeinküste, Mali, Burkina Faso werden diese Skulpturen Senufo-Vögel genannt. Etwa 3 Millionen Menschen umfasst diese Volksgruppe. In der Völkerkunde hat sich auch der Begriff Porpianong für diesen Senufo-Vogel eingebürgert (Söderberg, S. 110): Es ist der „Vogel des Poro“ schreibt der schwedische Völkerkundler Bertil Söderberg. Der bekannte Ethnologe Bohumil Holas spricht – vor allem im Zusammenhang auch mit entsprechenden Maskenmotiven – vom „Kopf“ oder vom „Gesicht“ des Poro.

Damit ist auch der Verwendungszusammenhang angedeutet. Denn Poro ist der Namen eines auch jetzt noch in manchen Bereichen von Westafrika einflussreichen Männer-Geheimbundes, der sich nach Altersklassen- und auch Berufsgilden gliedert. Die sogenannten Senufo-Vögel galten als wachender Beschützer  der Dorfbereiche, in denen die geheimen Initiationsriten der Poro abgehalten wurden. Sie  dienten dazu, die Aufnahme junger Männer in die Erwachsenengesellschaft vorzubereiten und zu vollziehen. Die Initiierten bestimmten dann das kultische Leben der Senufo und übten damit auch die soziale und politische Kontrolle in den Stammesgemeinschaften aus.

Deshalb ist es kein Wunder, dass Senufo-Vögel erst in den fünfziger Jahre ins Blickfeld der Sammler afrikanischer Kunst und der Ethnologen getreten sind. Denn dann verloren die Kulte, bei denen der „Vogel des Poro“ eine überwachende Bedeutung hatte, an Wert oder wurden durch andere Kulte verdrängt (Söderberg, S. 107 ). Das heißt, auch die damit verbundenen rituellen Gegenstände wie Skulpturen und Masken durften jetzt auch öffentlich gezeigt und verkauft werden.  „ Der Vogel hat scheinbar eine hervorragende sakrale Position gehabt, weil er vor der religiösen Krise in der Senufogemeinschaft für Außenstehende geheim gehalten wurde. Erst in der Mitte der 50er Jahre ist er als Kunstgegenstand auf dem Weltmarkt aufgetaucht“, schreibt Söderberg (Söderberg, S. 112). Man muss diese Hintergründe nicht kennen, um sich von den Senufo-Vögeln, die das Ehepaar Manfred und Helga Schröder von ihren häufigen Reisen nach Westafrika beeindrucken zu lassen. Am 9. September 1965 war Manfred Schröder zum Konsul von Ghana ernannt worden. Bei seinem Studium in London hatte er den späteren Staatsgründer von Ghana Dr. Kwame Nkrumah kennen. Der bat ihn dann, die Interessen des Landes – der ehemaligen Kolonie Goldküste-, als es am 6. März 1957 von den Briten in die Unabhängigkeit entlassen wurde,. diplomatisch und auch konsularisch zu vertreten. Manfred Schröder wurde am 5. Mai 1925 geboren.

Der Senufo-Vogel knüpft unmittelbar an die Mythologie dieser Volksgruppe an. Denn er stellt in der Regel einen Nashornvogel dar. Zusammen mit Schildkröte, Chamäleon, Krokodil und Schlange gehört er  zu den fünf ursprünglichen Totemtiere der Weltschöpfung. Die eigenartige Form der Senufo-Vögel wird auch im Zusammenhang mit Fruchtbarkeitskulten gesehen. In diesem Deutungen – so Söderberg (S. 111)- erscheint der Schnabel als männliches Begattungsorgan, der Bauch als Zeichen der Schwangerschaft. Söderberg spricht gar von einem „Symbol der Lebenskraft“ (S 111)

Häufig – wie bei dem 2,30 Meter großen, mit Messingblättchen beschlagenem Exponat im obersten Stockwerk des Torhauses des Schlosses – weisen die mitunter reich verzierten rechteckigen Flügelpartien viereckige Löcher auf, durch die Stangen geschoben werden konnten, um die Kult-Statuen wie eine Sänfte zu transportieren.

Frauenfiguren, die einen Porpianong tragen – eine in der Sammlung ausgestellten Skulptur kann als Frau  gedeutet werden – werden als Hinweis darauf gewertet, dass möglicherweise der Senufo-Vogel auch bei Initiationsriten von  Frauen-Geheimbünden verwendet wurden oder es gemeinsame Riten dieser Art von Männern und Frauen bei manchen Senufo-Stämmen gegeben hatte. (Söderberg, S. 114).

Zu den Glanzstücken der ethnologischen Westafrika-Sammlung der Vereinigten Museen im Wasserschloss Heerse gehört auch der Bronze-Kopf der Königinmutter Idia aus Benin – der in Nigeria gelegenen  Hauptstadt des früheren Königreiches Benin.  Es hat nur den Namen mit dem jetzigen Staat Benin im früheren Französisch- Westafrika gemein.

Der Gedenkkopf der sehr würdevoll aber auch mädchenhaft  anmutenden Frau mit steil aufgetürmter, mit Korallen oder Perlen verzierten Frisur soll aus der Regierungszeit des Königs Oba Esigie stammten. Er war von 1504 bis 1550 Herrscher  des Königreichs von Benin, eines ehemals mächtigen Reiches im Südwesten des heutigen Nigeria. Künstlerische Arbeiten, die Esigie in Auftrag gegeben hatte, werden heute in wichtigen Museen wie etwa dem Metropolitan Museum of Art oder dem British Museum in Ehren gezeigt. Als Esigie Vater, Oba Ozolua, starb kontrollierte er nur die Hauptstadt des Reiches, während sein Bruder Arhuaran die etwa 25 Kilometer nordwestlich davon gelegene Stadt Udo beherrschte, die an Größe und Einfluss etwa vergleichbar war.

Nach einem erbitterten Machtkampf mit Aruaran, den Esigie mit der starken Unterstützung durch seine Mutter, Königin Idia, führte, wurde Esigie König  von Benin. Auf Esigie geht die Tradition zurück, die Mutter des Königs mit dem Titel Iyoba zu ehren und ihr einen Palast in Uselu zur Verfügung zu stellen. Von den 38 Königinmüttern der gegenwärtigen Dynastie, die auch heute noch „herrscht“, hatte es jedoch nur 17 geschafft, mit diesem Ehrentitel bedacht zu werden, heißt in einem Kommentar zu einer vierhundert Jahre alten Iyoba-Gedenkfigur auf einer Web-Seite des Galeristen und Publizisten Hans Peter Hermann. (Königin. Benin-Kultur, Nigeria).

Er ist einer der wenigen auf klassische afrikanische Kunst spezialisierten Galeristen und war 2013 von Berlin nach Lomé in Togo umgezogen. Zehn Jahre hatte der studierte Innenarchitekt in Nordwest- und Zentralafrika gelebt, wo er die Kulturen dieser Regionen erforschte.: „Als Iyoba besetzte sie als einzige Frau eines der höchsten Ämter in Benin und konnte von ihrem Sohn – dem Oba – bei allen Staatsangelegenheiten zu Rate gezogen werden.  Nach ihrem Tod widmete der Oba ihr einen eigenen Altar, um jährlich Opfer zu bringen. Er errichtete entweder im königlichen Palast oder in der Residenz der Iyoba in Uselu einen Schrein mit einem entsprechendem Gedenkkopf.“

Die für eine Mutter ungewöhnlich mädchenhafte Darstellung zeuge von einem hohen Grad fast klassischer  Idealisierung, schreibt Herrmann, und deute darauf hin, dass diese idealisierende Geste der Verehrung dem Künstler und seinem Auftraggeber wichtiger gewesen sei als die Erinnerung an das realistische Abbild. Und: „Viele Iyoba-Darstellungen waren an Esigies Modell angelehnt und meist mit folgenden Attributen ausgestattet: lange korallenverzierte Frisur, Korallenhalsschmuck und jeweils vier kleinere Schmucknarben über jedem Auge sowie zwei größere über dem Nasenbein.“  Diese zwei mittleren, heute wie Gravuren aussehende Narben,  müsse man sich mit den traditionell eingefügten Metallplättchen vorstellen, die bei den meisten Objekten heute verloren gegangen seien. Oft sei dieser Kopf auf einen mit Flechtwerk oder Fischornamenten verzierten Sockel gestellt worden, noch häufiger sei der Sockel aber weggelassen worden, heißt es dort. Echtheit und Alter solcher Sammlerstücke lassen sich durch bestimmte Analyseverfahren feststellen.  Der Iyoba-Kopf in der Westafrika-Sammlung der Kulturstiftung steht auf einem mit Flechtwerk verzierten Sockel.

Generalkonsul Schröder berichtet, der Ashanti-König Opoku Ware II. habe den Ankauf des Iyoba-Gedenkkofes vermittelt. Bei dem mit für uns unvorstellbarer  Pracht gefeiertem 25. Thronjubiläum des Ashanti-Kömigs am 13. August 1995 in Kumasi in Ghana war der Generalkonsul als einer der Ehrengäste zugegen.

Als Anfang um 1900 Zeugnisse unerwartet hoch entwickelter Bronzekunst in Nigeria entdeckt wurden, galt das als wissenschaftliche Sensation. Woher kam diese Schönheit und technische Vollkommenheit? „Man erörterte ernsthaft, ob sie nicht eine künstlerische Hinterlassenschaft des sagenhaften Atlantis darstellten oder von den Etruskern stammten“, schreiben der Völkerkundler Professor Dr. Eno Beuchelt und der Publizist Dr. Wilhelm Ziehr   in ihrem Buch  „Schwarze Königreich –Völker und Kulturen Westafrikas“  (Eno Beuchelt, 1979, S. 110). Heute bestehe aber – nachdem zahlreiche Funde dieser Art  ausgewertet worden seien – kein Zweifel mehr an der originär afrikanischen Herkunft dieser hohen Kunstfertigkeit. Das sei aber auch überhaupt kein Wunder: „Denn in Westafrika offenbart  sich ein Subkontinent mit einer Reihe untergegangener Reiche, wie wir sie so entwickelt und vielgestaltig in diesem Teil der Erde nie vermutet hätten“, stellen Beuchelt und Ziehr fest. (Eno Beuchelt, S. 7). Die Kultur vieler Völker in Westafrika sei allen Vorurteilen der Kolonialherren zum Trotz hoch entwickelt und der anderer Kulturkreise ebenbürtig gewesen.

Als Keimzelle der höfischen Bronze- und auch Terrakottakunst Benins wird Ife bezeichnet , die einst  heiligen Stadt des Yoruba-Volkes. Ife liegt wie Benin im Südwesten Nigerias. Benin 170 Kilometer südöstlich von Ife. Auf Bitten eines Königs von Benin soll der später gottgleich verehrte Meister Iguehae nach Benin geschickt worden sein, um dort die Kunst des Bronzegusses zu lehren. (Eno Beuchelt, S. 110).

Auch heute sind in Benin noch Bronzegießer aktiv, die wie ihre Vorfahren mit der Technik  der „verlorenen Form“  arbeiten. „Sie fertigen ein Modell aus Bienenwachs auf einem Tonkern mit einer dünnen Wachsröhre an, umhüllen es mit einem Tongemisch, erwärmen es, bis das Wachs schmilzt und ausläuft, gießen flüssiges Metall in den entstandenen Hohlraum, lassen die Form abkühlen und zerschlagen sie, so dass das Rohprodukt zum Vorschein kommt, das sie dann durch Feilen und Polieren verfeinern“, schildert die Kulturwissenschaftlerin Edith Broszinky-Schwabe dieses Verfahren in ihrem Buch  „Kultur in Schwarzafrika“. (Broszinky-Schwabe, S. 168). Kupfer und Zinn zur Bronzeherstellungen waren im Land selbst gefunden worden.

Die ersten Bronzen aus dem 16 Jahrhundert – das kann man auch an der in den Vereinigten Museen ausgestellten Figur der Königinmutter sehen – waren besonders dünnwandig, nur 1 bis 3 Millimeter dick.

Auf die Bronzekunst von Benin stießen die Briten erst Ende des 19. Jahrhunderts – durch „ein tragisches Unverständnis Europas für die Spezifik der Kulturen Afrikas“, wie Edith Broszinky-Schwabe urteilt. Die englischen Kolonisten hatten sich durch die Errichtung der Kronkolonie Lagos den Export des begehrten Palmöls nach Europa sichern wollen und ihr Einzugsgebiet  auch auch auf das Gebiet des Königs von Benin ausdehnen wollen 1897 war eine Delegation mit dem britischen Vizekonsul Philipps nach Benin zu Verhandlungen mit dem König geschickt worden. Der König bat allerdings, den Besuch zu verschieben, da er sich in den Vorbereitungen zu einem hohen religiösen Fest befinde, bei dem er zu einer heiligen Person werde. Die Delegation rückte trotzdem an. Deren Mitglieder wurden, bis auf zwei, von Anhängern des Königs getötet, der mit absolutistischer Macht herrschte und auch religiöse Funktionen inne hatte. Die britische Kolonialmacht entsandte daraufhin eine Strafexpedition, die die Stadt unter Feuer nahm und den Palast des Königs zerstörte. Die britischen Soldaten entdeckten in den Trümmern wertvolle Bronze-Kunstschätze, die sie nach Europa mitbrachten. „Bad darauf tauchten auf dem europäischen Kunstmarkt zahlreiche Altertümer aus Afrika auf, die wegen ihrer Fremdartigkeit große Verwunderung auslösten. Völkerkundemuseen uns private Sammler erwarben diese Beninbronzen“, schreibt die Kulturwissenschaftlerin (Kultur in Schwarzafrika , S. 165 f).

Die Senufo-Vögel und der Bronzekopf der Königin-Mutter aus dem Königreich Benin sind nur zwei herausragende Beispiele aus der höchst sehenswerten ethologischen Sammlung der Kulturstiftung Manfred und Helga Schröder im Wasserschloss St. Hubertus in Bad Driburg Neuenheerse. Das Stifterehepaar hat die völkerkundliche Sammlung, die in einem 300 Quadratmeter großen Raum im zum Schloss gehörenden Torhaus und in mehreren anderen Räumen des Schlosses selbst untergebracht ist, bei ihren Reisen in nahezu alle Länder der Erde zusammengetragen. „Durch freundschaftliche Kontakte, die Manfred O. Schröder weltweit unterhält, durch private und dienstliche Besuche bei Amtsträgern, Partnern, Königen sowie Staatspräsidenten, aber auch durch seine persönliche Sammelfreudigkeit sind Geschenke und Sammlungsobjekte aus aller Welt von besonderem Wert nach Neuenheerse gelangt“, wird in einem Text zur Internet-Präsentation der Stiftung festgestellt. (Die Kulturstiftung | Wasserschloss Neuenheerse Kulturstiftung Vereinigte Museen).Ein Schwerpunkt liegt – trotz Exponaten aus aller Welt – auf Westafrika, insbesondere Ghana. Neben den Senufo-Vögeln und dem Bronzekopf der Königin-Mutter aus Benin gibt es eine große Anzahl von rituellen Masken, zahlreiche Fruchtbarkeitssymbole, kunstvolle Schnitzereien und Goldschmiedearbeiten zu bewundern.

Literaturverzeichnis

Broszinky-Schwabe, Edith:  Kultur in Schwarzafrika . Leipzig: Urania-Verlag , 1988

Internetpräsentation der Kulturstiftung | Wasserschloss Neuenheerse Kulturstiftung Vereinigte Museen. (kein Datum). Abgerufen am 13. Juli 2014 von Wasserschloss Neuenheerse: wasserschloss-neuenheerse.com

Eno Beuchelt und Wilhelm Ziehr: Schwarze Königreiche. Frankfurt: Wolfgang Krüger Verlag, 1979.

Peter Herrmann: www.galerie-herrmann.com
Königin. Benin-Kultur, Nigeria. (kein Datum). Abgerufen am 12. Juli 2014 von Galerie

Wikipedia

Oba Esigie. (kein Datum). Abgerufen am 12. Juli 2014 von Wikipedia: de.wikipedia.org/wiki/Oba_Esigie

Söderberg, Bertil: „Porpianong, die Vogelskulpturen der Senufo.“ in Ethnos: Journal of Anthropology, 35, 1970: S. 103-115.

Erbe von James Cloppenburg

James Cloppenburg, Inhaber des Konzerns Peek & Cloppenburg, hinterlässt laut Testament GHK Schröder seinen gesamten „naturwissenschaftlichen und jagdlichen Nachlass“. Der große und bedeutende Nachlass wird vom Stammsitz der Familie Cloppenburg in Ratingen mit einem LKW abgeholt und nach Neuenheerse gebracht, wo die Exponate die naturkundliche Abteilung der Museen enorm bereichern. Das Erbe dokumentiert die tiefe Freundschaft und Verbundenheit des leidenschaftlichen Jägers und Naturliebhabers James Cloppenburg, der auf Fuchsjagden als „Master of the Hounds“ ritt, zu GHK Schröder. GHK Schröder hat speziell zur Aufnahme eines Teils der jagdlichen Gegenstände eine Holzwand mit Dach in einer Länge von 15 m errichten lassen. Hier werden die mit Bestimmtheit ansehnlichsten und größten Hirschgeweihe und auch der Büffel, die James Cloppenburg erlegt hat, aufbewahrt und zur Schau gestellt